Inklusion – aber richtig!

Einige von euch haben vielleicht schon gehört, dass die EU sehr auf Inklusion in Schulen pocht. Behinderte sollen also auf ganz normale Regelschulen gehen können. Schließlich sind wir anders und doch GLEICH. Da können wir auch alle auf die gleiche Schule gehen und lernen, miteinander zu leben, einander zu akzeptieren.

 

Das ist an sich eine nette Idee. Aber ob das auch realistisch ist? Ich glaube nicht, denn wir sind eben alle auch ANDERS. Die einen mehr, die anderen weniger. Manche sind langsamer, brauchen mehr Hilfe oder Aufmerksamkeit, brauchen andere Bedingungen zum Lernen oder haben vielleicht auch ein ganz anderes Auffassungsvermögen als ihre Mitschüler. Um da jedem wirklich gerecht zu werden, brauchen die Lehrer gute Betreuer zur Unterstützung. Davon haben wir aber leider nicht besonders viele. Außerdem müssten die einzelnen Klassen wesentlich kleiner sein, um jedes Kind im Blick zu haben und unterstützen zu können. Weil das aber nicht überall so umgesetzt werden kann, sind viele Lehrer heillos überfordert und Schüler, die nun mal langsamer sind, haben das Nachsehen.

 

So will ich nicht lernen müssen. Ich bin eine gute Schülerin, ja, aber auch nur dann, wenn ich eine Chance habe.

 

Von Anfang an war es ein Kampf. Keine der Behörden glaubte, dass ich in die Schule gehen und dort etwas aus mir werden könnte, aber zum Glück herrscht ja Schulpflicht. Ich sollte in die nächste Förderschule gehen, die aber mit dem Auto eine Stunde entfernt lag. Also sollte ich unter der Woche im Internat bleiben. Na ja, das haben die sich so gedacht, aber da machten meine Eltern nicht mit. Ich meine: Hallo? Durch meine Beatmung brauchte ich ständige Überwachung. Sowieso brauchte ich damals schon bei jedem Pieps und jeder Bewegung Hilfe und die konnte mir kein überforderter Pfleger geben. Ist doch logisch, oder?

 

Meine Mutti sagte: „Na, dann kommen sie sich das Kind mal anschauen.“

 

Schließlich kam eine Vertreterin der Schule zu Besuch.

 

„Können Sie mir versichern, mir das Kind Ende der Woche immer lebend wiederbringen zu können?“

 

„Also wenn ich das jetzt hier so sehe, können wir das nun wirklich nicht verantworten.“, stotterte diese.

 

Ach nee… So weit waren wir auch schon.

 

Demnach ging nur noch Hausunterricht. Da die Schule wegen der Entfernung aber nicht jeden Tag die eigenen Lehrer zu mir schicken konnte, haben sie einfach Lehrer der Umgebung zu mir abgeordnet. Meine Lehrer arbeiteten dann also die paar Stunden bei mir sozusagen für meine Förderschule.

 

Und das war Ende der vierten Klasse meine Chance: Ich hatte nämlich eine Bildungsempfehlung fürs Gymnasium. Jetzt würde ich es denen da oben erst recht zeigen. Also wurden Gymnasiallehrer zu mir geschickt und ich wurde ganz normal gymnasial unterrichtet, obwohl ich theoretisch immer noch Schülerin der Förderschule war. Etwas unlogisch. Das hat man in Klasse 10 dann auch festgestellt, weil man merkte, dass ich auf der Förderschule kein Abitur machen kann.

 

Da hatte wohl jemand nicht mitgedacht.

 

Nun, ich machte erstmal meinen Realschulabschluss, um dann offiziell ans Gymnasium zu wechseln. Für mich änderte sich eigentlich nichts. Ich wurde weiter zuhause unterrichtet und auch die Lehrer blieben dieselben. Weil es aber ein Schulwechsel war, musste ich laut irgendeinem Gesetz ein Jahr wiederholen. Da hatte ich keine andere Wahl. Und jetzt bin ich in der zwölften Klasse und übe ständig für die Prüfung.

 

Ich brauche alle Aufgaben und Hilfsmittel digital am Computer. Auf Papier, wo ich selbstständig absolut nix bearbeiten kann, nützt mir das herzlich wenig. Außerdem brauche ich mehr Zeit zum Schreiben und manchmal auch Pausen.

 

Genau deshalb könnte ich nicht ganz normal in einer großen Klasse unterrichtet werden. Früher habe ich manchmal meine Freunde im Gymnasium beim Unterricht besucht. Allerdings konnte ich dabei nichts mitschreiben, weil ich erstens durch den Computer die Tafel nicht gesehen hätte und zweitens sowieso zu langsam gewesen wäre. Fragen konnte ich auch nicht stellen, weil meine Stimme viel zu leise und undeutlich ist und sich jeder Lehrer erstmal daran gewöhnen muss, um mich einigermaßen zu verstehen.

 

Um also ordentlich lernen zu können, brauche ich immer eine Extrawurst. Wenn aber rücksichtslos immer mehr Inklusion durchgesetzt wird, nur um bei Förderschulen Geld zu sparen, kann ich mir das leider nicht vorstellen. Ich wöllte auch keine ständig Rücksicht von Mitschülern, weil mir das bei meiner schweren Behinderung einfach zu weit gehen würde. Für jeden muss eben ein individueller Weg gefunden werden. Für mich ist das der Hausunterricht. Aber leider fehlen selbst Betreuer für einfachere Fälle wie mich an allen Ecken und Kanten und die Lehrer schaffen das nicht alleine. Daraus folgt, dass Behinderte so einfach untergehen würden. Das bringt uns nicht weiter, liebe Europäische Union. Zumindest glaube ich das.

Und was meint ihr?

Und sorry, liebe Lehrer, aber meine Lieblingsfächer sind immer noch Deutsch, Englisch, Kunst, Philosophie und Religion und ich mag weder Geschichte noch GRW wirklich. Daran werdet ihr auch nichts ändern. 😉 Keine Sorge, ich mag euch trotzdem alle.

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