Eine Führhundausbilderin erzählt
Nun ist der Hund, Labrador Rüde, braun, schon drei Tage nicht bei mir. Ich frage mich, was wird er denken? Wie wird es ihm gerade gehen? Was werden die beiden, der junge Mann und der Hund, gerade unternehmen? Oder sind sie gerade in der Wohnung und ruhen aus? Klappt auch alles im Haushalt? Macht der Hund auch das, was er bei mir gelernt hat?
So oder so ähnliche Fragen stelle ich mir jedes Mal, wenn ich loslassen muss. Einarbeitung ist im Gange.
Es ist jedoch auch schon vorgekommen, dass ich ein ungutes Gefühl bekam. Was stört mich dann an der Zusammenführung?
Hunde können zwar nicht so reden wie wir, dennoch können Sie sagen, ob sie sich in dem neuen zu Hause wohlfühlen oder nicht.
Sucht er von sich aus den Kontakt zu dem jungen Mann? Freut er sich über die Zuwendung, die er von ihm bekommt? Oder ist vielleicht der junge Mann reserviert dem Hund gegenüber? Kann er damit umgehen, wenn er mal Speichel an die Hand bekommt? Oder drückt er sich doch mehr an mich und sucht mehr meine Nähe, wenn ich da bin? Versucht er möglicherweise, dem jungen Mann etwas aus dem Weg zu gehen?
Das alles sind Beobachtungen, die ich mache, um herauszufinden ob die beiden gut zusammenarbeiten können.
Natürlich kommt dann auch noch dazu, wenn wir zusammenarbeiten, wie setzt der Führhundhalter um, was ich ihm vorher gezeigt hatte. Bemerkt er die Bewegungen des Hundes, kann er rechtzeitig reagieren, wenn der Hund eine nicht gewünschte Richtung einschlägt? Kann er auch erkennen, worauf der Hund eventuell gerade reagiert, wenn er etwas schneller geht, sich etwas größer macht?
Weiß er den Weg, und auch um die Hindernisse, die auf diesem Weg auftauchen können?
Die Orientierungsfähigkeit und die Mobilität ist eine sehr wichtige Sache als Blindenführhundhalter.
Setzt er die Strategien um, die wir erarbeitet haben, wenn Hindernisse auftauchen? Besonders auch, wenn ich nicht mehr dabei bin.
Das alles sind wichtige Beobachtungen für mich, um zu wissen, ob der Hund, den er von mir bekommt, auch wirklich gut aufgehoben ist und seine Arbeit machen kann.
Und genauso wichtig ist es, dass er dem Hund Freilauf und Entspannung bieten kann. Auch dafür ist Mobilität wichtig. Und das dann nicht nur auf der Straße. Auch auf Feldwegen, im Wald, und in den Parks muss er sich dann bewegen können.
Ein bisschen Mut gehört auch mit zum Leben als Führhundhalter. Denn auch ein Hund möchte nicht immer nur dieselben Strecken gehen. Auch er braucht etwas Anregung, und mal etwas Neues zu erleben.
Was mir persönlich sehr wichtig ist, dass der Führhundhalter weiß und auch realisiert, dass ein Hund ein Lebewesen ist und somit nicht perfekt. Jeder Hund hat auch seine Schwachpunkte. Man sollte also bereit sein, auf jeden Fall mit dem Hund auch später weiter zu arbeiten, und nicht glauben, dass das Leben dann bequemer wird. Es gibt ja ein paar Schwachpunkte, die immer wieder vorkommen. Reaktionen auf andere Hunde zum Beispiel, oder, besonders beim Labrador Retriever, das Herumfressen draußen auf der Wiese. Manchmal auch Reaktionen auf andere Tiere.
Mir persönlich ist sehr wichtig, dass die Führhundhalter so mit dem Hund weiterarbeiten, wie die Tiere es bei mir gelernt haben.
Natürlich ist es wichtig, dass der Hund in der Wohnung auch zur Ruhe kommen kann. Was bei mir jedoch Bauchschmerzen verursacht, wenn der Wunsch an mich herangetragen wird, der Hund möge doch bitte in der Wohnung die ganze Zeit auf dem selben Fleck liegen, damit man nicht darüber stolpert.
Außerdem sollte genügend Zeit für den Freilauf und auch mal Ausflüge da sein. Ja, diese Hunde sind Hilfsmittel. Trotzdem sind es normale Hunde, mit den Bedürfnissen, die jeder Hund hat. Also sollte der Führhundhalter auch Fütterung und Pflege des Hundes so umsetzen können, wie es dieses Tier braucht.
Eine Familie hatte sofort im Sturm mich und meinen Hund erobert. Wir waren dort, um den Hund vorzustellen.
Im Garten stand ein Pool, mit aufblasbarem Rand. Der Hund spielte mit dem Sohn der Familie. Es war Sommer und sehr heiß. Der Hund wurde durstig und wollte aus dem Pool trinken. Plötzlich bog sich der Rand um und der Hund rutschte ins Wasser und planscht plötzlich darin herum. Ich dachte oje, was für ein Fauxpas!
Aber das zukünftige Frauchen holte sofort ein Handtuch, um ihn ab zu trocknen. Kein böses Wort oder irgendetwas ähnliches. Dort sah ich pure Fürsorge. Ich war begeistert, und diese Familie hat den Hund auch bekommen.
Insgesamt ist es wichtig, dass die Temperamente von Hund und Mensch zusammen passen, sowie auch die Laufgeschwindigkeit. Auch das Arbeitspensum des Hundes und seine Möglichkeiten, dies zu schaffen, müssen zu dem des Menschen passen.
Und, nach meiner Erfahrung auch sehr wichtig, dass der Hund den Vorstellungen des Menschen entspricht. Wenn derjenige eine bestimmte Rasse will, und dieser Rasse auch gerecht werden kann, dann sollte man dies berücksichtigen.
Schön ist es natürlich auch, wenn jemand offen ist und sich auf relativ viele Möglichkeiten rassemäßig einlassen kann.
Nicht zuletzt ist auch zu erwähnen, dass der zukünftige Führhundhalter einen gewissen Reifegrad erlangt haben sollte, um sich der Verantwortung für das Lebewesen Hund bewusst zu sein. Ich persönlich glaube, dass meine Entscheidungen dahingehend, ob jemand einen Hund von mir bekommen hat, oder nicht, bisher richtig getroffen waren.
Und sollte ich mich doch getäuscht haben, oder die Beziehung zwischen Hund und Mensch hat sich nicht gut entwickelt, dann habe ich auch Hunde im Dienst schon zurück geholt.
Nun fragt sich der Eine oder Andere sicher, an wessen Gedanken und Erfahrungen er/sie gerade teilhaben durften.
Ich heiße Sabine Handel und bin 45 Jahre alt. Ich wohne in Chemnitz, wo ich auch geboren wurde.
Zur Hundeausbildung bin ich durch meinen ersten Hund und den Hundesport mit ihm gekommen.
Meine Hundeschule eröffnete ich 1999.
1 Jahr später kam die Pension dazu.
Einige Jahre arbeitete ich als Familienhundeausbilder. Dann suchte ein mittlerweile ehemaliger Geschäftspartner jemanden, mit dem er eine Blindenführhundschule aufbauen kann.
Von da an widmete ich mich der Blindenführhundausbildung.
2004 wurde mein erster Blindenführhund fertig.
Danach folgten noch etliche weitere, bis jetzt über 50.
Ab 2009 arbeitete ich allein und unter eigenem Namen weiter. Ab da habe ich mich auch aktiv selbst weitergebildet.
Ausbildungstechnisch bin ich nun beim Markertraining gelandet. Mit dieser Technik kann ich so arbeiten, dass der Hund, sowie der Hundeführer Spaß an der Arbeit haben.
Zuverlässigkeit der Arbeit des Hundes ist natürlich auch sehr wichtig, das ist mit dieser Trainingstechnik auch gegeben.
Insgesamt kann ich für mich zusammenfassen, dass die Blindenführhundausbildung zu einem sehr großen Teil Targettraining ist. Das Anzeigeverhalten ist jeweils verschieden, Borde werden z.b. durch Draufstellen angezeigt, Ampeln und Türen durch Hingehen und Kopf kurz anlegen. Hindernisse und Abgründe werden dagegen durch Abdrehen angezeigt.
Die Rassen, mit denen ich bisher gearbeitet habe, waren Labrador Retriever, Golden Retriever, Deutsche Schäferhunde, Labradoodle und Grosspudel.
Und natürlich möchte ich keinen der Führhundhalter, die einen meiner Hunde halten, in irgendeiner Weise im Stich lassen, wenn Probleme auftreten.
Leider kann ich jedoch nicht immer gleich bei akuten Situationen vor Ort sein, denn ich arbeite bundesweit, und das ist oft mit langen Reisen verbunden. Deshalb versuche ich auch mit Kollegen zusammenzuarbeiten, die vor Ort wohnen und mit der Arbeitsweise vertraut sind, wie ich sie anwende.
Insgesamt freue ich mich immer wieder, neue nette Leute kennenzulernen und mich immer weiter zu entwickeln.
(geschrieben von Sabine Handel)