Drei Tage Augenlicht
Wovon ich hier zu erzählen vermag, ging mir Tag für Tag durch den Kopf,
hat sich in mir nun eingepflanzt wie ein neues Haar im Schopf.
Mit meinen Händen kann ich fühlen und nehme vieles wahr,
wie aber kann es sein, dass der, dem sein Augenlicht gegeben wurde, manchmal sagt, das, was er sieht, sieht er nicht deutlich und klar?
Mit meiner Blindheit hab ich mich abgefunden und auch die Einschränkung meines Gehörs muss ich akzeptieren,
um mich selbst ins Licht zu rücken und nicht zu verlieren.
Gesegnet sei der Gesichtssinn,
der so vielen gegeben wurde und der einem zeigt, wo es langgeht, der durch ihn weiß, wo er steht und bei seinem Wege weiß, wohin.
Auch uns Blinden wurde ein Sehen gegeben, doch statt mit den Augen sehen wir mit dem Herzen und mit den Händen,
unser Herz erkennt die Schmerzen und den Charakter in einem, und mit unseren Händen orientieren wir uns an Mauern und Wänden.
Lang hab ich mich fragen müssen, wie schön es doch wär, mit den Augen zu sehen,
was würd ich dafür geben, um im Leben gerade zu stehen?
Ich will hier nun zeigen, wie es für mich wär, nur 3 Tage zu sehen,
ich würd viel von Farben begreifen, mein Blick würd dann nicht nur an einer Sache hängen bleiben, sondern durch die Welt schweifen.
Am ersten Tage ich erwachte und merk, es ist was geschehen,
Tränen der Freude steigen in mir auf, denn ich begreife, ich kann sehen.
Ich stehe auf und geh zum Fenster und sehe plötzlich Licht,
das muss die aufgehende Sonne sein, sie streift so zart mein Gesicht.
Mit offenen Augen geh ich aus meinem Zimmer und in das Zimmer meiner Mutter hinein
denn dass ich plötzlich sehe, behalte ich für mich nicht allein.
Noch liegt sie im Bette schlafend, ich wecke sie und bitte sie, sich umzudrehen,
wenn sie nach dem Warum mich fraget, so sag ich, ich kann sehen.
Es werden alle im Hause wach, Vater, Schwestern und Brüder, und wir gehen alle gemeinsam raus,
ich will mir ansehen, wo ich wohne, die Straße und auch das Haus.
Ich richte meinen Blick zum Himmel, der leuchtet hell und klar,
das ist also der hellblaue Himmel, ich nehme ihn deutlich wahr.
Ich spaziere durch die Stadt und freu mich, sie mit den Augen wahrzunehmen,
dass ich einmal blind war, dafür brauch ich mich nicht schämen.
Es kommen Leute an mir vorbei, die mich danach fragen,
dass ich aber nur 3 Tage sehend bleiben werde, wage ich nicht zu sagen.
Wir sitzen in der Straßenbahn und ich seh die Stadt an meinen Augen vorüberziehen,
der Tag will nie ein Ende nehmen und ich will ihm nicht entfliehen.
Es rücket nun nahe der Abend und ich gehe nach Hause munter,
am Himmel sieht man plötzlich nicht mehr viel vom Tageslicht, ich begreife, die Sonne geht unter.
Der Untergang aber, der ist warm, und ich denk, nun ist der Tag tot,
die Sonne verabschiedet sich so langsam im warmen Abendrot.
Ich bin nicht müde, im Gegenteil, ich will noch mehr entdecken,
sitze daher im Wohnzimmer am Fernseher und lass mir den Abend schmecken.
Als dann die Nachrichten kommen, bin ich von vielen Bildern entsetzt,
Krieg, Tod und Leiden, das alles wurde meinen Augen vorgesetzt.
Mit Tränen in den Augen geh ich in mein Zimmer,
will endlich ans Fenster treten, um auf die Sterne und den Mond zu warten, und sag mir, Nachrichten schauen tu ich nimmer.
Mir wird klar, besser ist es, sie im Radio zu hören,
denn zu viel Krieg schadet dem Auge, und seinen Gesichtssinn soll man dadurch nicht zerstören.
Es rücket nun heran die Nacht,
ich bin mehr als aufgewacht, denn am Himmel sieht man nun Mond und Sterne,
ich begreife, das seh ich sehr gerne.
Nun aber werden die Lider schwer,
ich merk, ich werde müde und kann nicht mehr,
nun hab ich heut also viel gesehen
und nehme mir vor, schlafen zu gehen.
Ich wache auf am zweiten Tag, wieder seh ich Licht,
die Sonne, die geht auf, wie wohltuend sie berühret mein Gesicht.
Ich will mir meine Hörhilfen einsetzen und merk, dass ich sie nicht brauch,
denn am 2. Tage wurde mir mein Hören gegeben, also höre ich auch.
Ich öffne das Fenster weit und sehe und höre die Autos fahren,
ich denke an die Zeit mit den Hörhilfen, wie Geräusche für mich waren.
Mir aber wird klar, mit dem letzten Tag meines Augenlichts, wird auch mein Gehör fortgehen,
dann bin ich auf meine Hörhilfen angewiesen und kann auch nichts sehen.
An diesem Tag geh ich wieder in die Stadt und höre so viel,
ich will heute mal ins Theater gehen, um Stücke zu hören und zu sehen, und betrachte auch ein Lichterspiel.
Ich seh und höre so viele Sachen, die lassen sich nur schwer erzählen,
ich begreife nun, was es heißt zu sehen, und mir dürfte so nichts fehlen.
So viele sehen mit ihren Augen und meinen, die Augen seien der Spiegel der Seele,
doch sieht allein nur das Herz in einen hinein, denn nur ein Herz sagt was einem fehlt.
An diesem Tag geh ich in die Eilenriede ganz allein spazieren,
die Eilenriede ist ein schöner Forst mit Bäumen, in dem kann ich mich nicht verlieren.
Ich atme ein den schönen Duft,
er lieget sehr klar in der Luft,
lauf von Baum zu Baum und glaub es kaum,
ich komme mir vor wie im Traum.
Es wird wieder Abend und ich muss nach Haus,
bleibe noch lange stehen vor dem Haus.
Sehe vorüberziehen viele Gesichter,
am Himmel verschwinden die Abendlichter.
Dafür wird es aber wieder Nacht,
ich freu mich schon die Sterne zu sehen,
doch ist nichts als Dunkelheit zu erkennen und ich frag mich kann ich denn noch sehen?
Ich probier es aus im Haus,
knips oft Lichter an und aus,
hin und wieder im Lichtergemunkel
begreif ich, der Himmel ist dunkel.
Die Augenlider werden wieder schwer,
werd wieder müde und kann nicht mehr,
dass also war der zweite Tag, ich hab viel gesehen
und werde mich wieder ausruhen müssen und schlafen gehen.
Nun rücket herbei der dritte Tag,
an dem ich noch viel sehen mag,
ich weiß genau, was am vierten geschieht,
nämlich ich werde wieder im Finstern sitzen, wenn mein Gesichtssinn mit meinem Gehör vorüberzieht.
Mit der Straßenbahn fahr ich zur Werkstatt, um die Leute mit den Augen zu sehen,
ihnen zu berichten von den anderen 2 Tagen, und ich weiß, dass sie mich fragen [werden], wie konnte das nur geschehen?
Ich seh dort die ganzen Räume, und nach 8 Stunden hab ich genug,
die sind zu klein für meine Träume, ich will mal sitzen in einem Schnellzug.
Ich steig in eine S-Bahn und fahr durch die Stadt, doch ist die Bahn mir zu langsam,
keiner sitzt in diesem Abteil neben mir, ich fühle mich sehr einsam.
Fahr zum Hauptbahnhof zurück und mit der Straßenbahn bis zum Nackenberg,
von dort geh ich wieder zur Eilenriede, um zu spazieren und vollende mein Tageswerk.
Der Abend naht, ich muss nach Haus, und doch bleib ich lange fort,
ich will mir Baum für Baum noch mal ansehen, denn am nächsten Tag ist mein Augenlicht fort.
Ich bin nun zu Hause angekommen und seh am Himmel Mond und Sterne,
ich höre eine Stimme ganz nah an meinem Ohr sagen, Fazli mit dir reden tu ich gerne.
Der Tag ist vorüber und es ist wieder Nacht,
ich hab an die anderen Tage zuvor gedacht,
es wird wieder Zeit, nun werd ich blind,
der Blick meiner Augen ist leer, fortgefegt vom nächtlichen Wind.
Der Tag danach zeigt mir, es war alles ein Traum,
ich bin wieder blind und auf Hörhilfen angewiesen, ich weine und glaub es kaum.
Oh, Ihr, die [Ihr] sehen könnt, genießt Euer Sehen Tag für Tag,
geht mit Euren Augen so um, als wär es der letzte Tag.]
Ich kann nun nachvollziehen, wie sich jemand fühlt, der sein Augenlicht verlieren tut Tag für Tag,
denkt daran, es kann jeden treffen, egal,. was auch passieren mag.]
Pflegt bitte auch Eure Ohren, denn auch sie sind leicht zu zerstören,
wenige Menschen, zu denen ich auch zähle, sind ein warnendes Beispiel und können dies schwören.
Denkt daran, man sieht nur mit dem Herzen gut,
denn dem Auge bleiben oft verborgen Charakter und Lebensmut.
Viele Menschen begehen oft den Fehler und denken, ein Mensch muss gut aussehen
[und] nur wenn sein Äußeres schön ist, könne man gemeinsame Wege gehen.
Das Aussehen zählt nur an zweiter Stelle, denn vielwichtiger ist, wie sein Herz ist,
denn nur das Herz kann fühlen Freude, Leid und Schmerz.
Denkt endlich langsam um und achtet mehr auf innere Werte,
denn das Äußere enttäuscht einen oft und führt ihn [den Menschen/Euch] auf die falsche Fährte.
Wer mit Augen und Herz lernt, alles deutlich zu sehen,
der wandelt auf dem richtigen Wege und kann die Welt verstehen.
Als Blinder hat man ein hartes Leben und muss Wege beschreiten,
dafür aber funktioniert das Ohr und entwickelt unglaubliche Fähigkeiten.
Wenn aber auch das Gehör entschwindet, so hat man noch Hände und Nase,
man kann fühlen, riechen und schmecken und träumt sich in eine Duftoase.
Nimm an, was Dir widerfährt, denn andere Sinne gleichen das Verlorene aus,
Gott der Herr wird immer bei Dir sein, gehe gelassen durchs Haus.
Was nützt es denn, wenn [die] Augen sehen, der Geist aber nicht?
Man wandert zwar frei durch Wald und Flur, doch sieht man nicht Gottes Licht.
Mögen meine Worte ewig leben, denn Worte sprechen für sich selbst,
genießet den Tag, an dem ihr sehet, so,als möge er der Letzte sein.
(geschrieben von Fazli)