Mit Braille das erste Geld verdienen
Mit dem sehr geringen Sehrest von 2% auf einem Auge war in den Jahren meiner Schulzeit auf der CSS die Braille-Schrift die einzige Möglichkeit zur optimalen Bearbeitung des Lehrmaterials. Erlernt habe ich sie bereits in Paderborn.
In den Jahren 77-85 gingen in der Blista eine Menge sehr positive Veränderungen vor zu denen auch das ermöglichen von Schülerjobs gehörte, und so erkannten einige Blista-Schüler, unter denen auch ich mich sehr bald befand, dass die Brailleschrift nicht nur gut und wichtig zum Lernen, sondern auch gut geeignet schien mit ihr das erste eigene Geld zu verdienen. Und so sprach ich in der Montageabteilung der mechanischen Werkstatt am Schlag 8 vor, denn dort wurden die Marburger Bogenmaschinen zusammengesetzt und sollten vor der Auslieferung an die Kunden in ihren Funktionen noch einmal gründlich geprüft werden.
Ich wurde auch recht schnell eingestellt und prüfte im Zeitraum von 1981-1983 mit einigen meiner Schulkameraden nun diese Maschinen, was sich während unserer Freistunden und an freien Nachmittagen immer sehr gut einrichten ließ. Die Prüfung der Maschinen bestand aus dem Schreiben eines DIN A3seitigen Braille-Textes, den wir dann auch sehr bald auswendig wussten, wir wurden schneller.
Zwischen Ingolf A., Konrad B. und mir entspannen sich regelrechte Wettkämpfe, wer denn von uns der schnellere sei, aber mehr als 12 Maschinen pro Stunde schaffte von uns keiner. Die Produktion der Maschinen lief auf Hochtouren, man war mit uns zufrieden, das brachte uns sogar recht bald einen höheren Stundenlohn ein, denn man erhöhte diesen von 6,50 auf 7,00 DM. Es kam bei vielen Freistunden (ohne blau zu machen, versteht sich) durchaus auch vor dass man recht leicht über 100 DM pro Monat verdienen konnte.
Leider war diese lukrative Nebentätigkeit dann ab Sommer 1983 nicht mehr so einfach möglich weil die Blista die Produktionsstätte nach außerhalb Marburgs verlagerte. Ich aber hatte mir schon längst wieder eine andere Möglichkeit gesucht innerhalb der Blista als Schüler Geld zu verdienen.
Kurz vor den Sommerferien 1981 bestand ich neben der mittleren Reife auch noch die Telefonistenprüfung. Die Ausbildung zum Telefonisten dauerte ca. ein halbes Jahr und ich absolvierte diese in der Blista, Ausbilder war Herr Wieser. Die Prüfung, die damals sogar noch von der OPD Frankfurt abgenommen wurde, bestand aus einem schriftlichen und einem mündlichen Teil.
Nach den Sommerferien 1981 sollte die Telefonzentrale bis 18:00 besetzt werden, die Besetzung von 16:00-18:00 erfolgte durch geprüfte Schüler, ich war dabei, Stundenlohn 5 DM. Ich wollte aber mehr! Wusste ich doch, dass der damalige Telefonist Ingo B., mit dem ich recht gut befreundet war, während der Sommerferien über große Langeweile klagte und deshalb in den Folgejahren den größten Anteil seines Jahresurlaubs nehmen würde. Und so schrieb ich eine Bewerbung an die Direktion.
Einige Wochen vor den Sommerferien 1982 saß ich in der Telefonzentrale, Herr Hertlein klopfte an, steckte den Kopf kurz in die Tür und sagte zu mir, dass ich den Job hätte, Monatsgehalt 1.400 DM, und schon ging es für ihn weiter, ich war baff!
Und so war dieser Lukrative Ferienjob in den Folgejahren mir, ich aber fand es besser, nicht alles allein einzustreichen und teilte mir den Job 1983 und 1984 mit 2 Schulkameraden. Die Arbeitsatmosphäre war fast schon familiär und ich hege bis zum heutigen Tag allerbeste Erinnerungen daran und erzähle auch ab und zu mal gern davon.
Die Tätigkeit als Sommerferientelefonist war umfangreich und ohne die Braille-Schrift nicht möglich; denn es mussten neben Monatsabrechnungen von Telefongebühren auch noch Briefe von Braille in Schwarzschrift, die größtenteils an die Hör- und Punktschriftbücherei gerichtet waren, übertragen werden.
Herr Dr. Spiegelberg, seinerzeit Schulleiter, sagte mal während eines Mittagessens zu mir, dass Telefonist doch auch eine gute Berufswahl für mich sei da man nach den Sommerferien 1982 doch allgemein des Lobes voll war. Es lief in den Jahren 1981-1982 nicht ganz so gut in der Schule für mich, jedoch bestand ich mein Abi, schrieb aber auch vorsichtshalber eine Bewerbung im Herbst 1984, denn ich spekulierte auf den in Wehrda eingerichteten Telefonisten- und Pförtner-Arbeitsplatz. Daraus aber sollte jedoch nichts mehr werden, den bekam im Sommer 85, als ich noch arbeitssuchend war, einer meiner besten Freunde, für den ich mich nach seiner Arbeitslosigkeit von über 2 Jahren, unter welcher er sehr litt, aufrichtig mit ihm zusammen freute. Und die Urlaubsvertretung von Alfred E. spülte mir während meiner 4monatigen Arbeitslosigkeit Geld in die Kasse. Durch die Urlaubsvertretungen von Ingo B. und Alfred E. und das Maschinen Einschreiben war ich da quasi nur einen Monat ohne Geld.
(geschrieben von Ralf Heywinkel)